von Dr. med. Konstantin Wagner

11.06.2021

BRUSTKREBS - 10 Fragen an einen Frauenarzt

Kurz zu den Fac­ts:

  • Brustkrebs ist der häufigste Krebs der Frau
  • Brustkrebs ist die häufigste Krebstodesursache der Frau
  • Brustkrebs ist die fünfthäufigste Krebstodesursache insgesamt
  • Statistisch erkrankt jede 8. Frau in Deutschland an Brustkrebs

Ergo: Brust­krebs ist häu­fig und wirk­lich ernst zu neh­men!

Wie ent­steht ei­gent­lich Brust­krebs?

Krebs ent­steht nicht über Nacht und be­nö­tigt meist vie­le Jah­re bis er "er­kannt" wird. Es sind vie­le Feh­ler auf mo­le­ku­la­rer Ebe­ne nö­tig, dass eine Brust­drü­sen­zel­le un­ge­bremst und in­va­siv zu wach­sen be­ginnt. Ri­si­ko­fak­to­ren sor­gen da­für, dass sol­che Feh­ler wahr­schein­li­cher wer­den. 

Hor­mo­ne

Die weib­li­chen Ge­schlechts­hor­mo­ne sind oft An­griffs­punkt bei Brust­krebs. Ein lan­ger hor­mo­nell ak­ti­ver Zeit­raum: Frü­he Pu­ber­tät und spä­te Wech­sel­jah­re, kei­ne/we­ni­ge Schwan­ger­schaf­ten, spä­te ers­te Ge­burt, kei­ne/kur­ze Still­zeit („Non­nen­kar­zi­nom“ ) sind ge­nau­so als Ri­si­ko­fak­tor zu wer­ten wie eine Hor­mon­the­ra­pie (z.B. in den Wech­sel­jah­ren). Die "Pil­le" zur Ver­hü­tung ist mög­li­cher­wei­se auch - wenn auch sehr ge­rin­ger - Ri­si­ko­fak­tor. Hier kommt es vor al­lem auf die Län­ge der Ein­nah­me ein, da sich nach ab­set­zen das Ri­si­ko wie­der zur Nor­mal­be­völ­ke­rung an­zu­glei­chen scheint.

Die Gene

Wir ha­ben vie­le Gene, die da­für da sind Schä­den und Feh­ler auf der DNS zu re­pa­rie­ren. Sind die­se Re­pa­ra­tur­ge­ne ka­putt, gibt es kei­ne DNS Re­pa­ra­tur. Feh­ler häu­fen sich und kön­nen zur Ent­ar­tung der Zel­le füh­ren. Sol­che ka­put­ten Re­pa­ra­tur­ge­ne kön­nen ver­erbt wer­den. Be­kann­tes­tes Bei­spiel sind die BRCA1-, BRCA2- oder PAL­B2-Gene. Dar­über hin­aus gibt es si­cher auch noch ei­ni­ge un­be­kann­te funk­ti­ons­lo­se und ver­erb­ba­re Gene, die wir noch nicht iden­ti­fi­ziert ha­ben und ge­ra­de bei jun­gen Frau­en un­ter 40 Jah­ren be­tei­ligt sind.

Sons­ti­ge Ri­si­ko­fak­to­ren

  • Höheres Alter
  • Hohe Brustdichte
  • Diabetes mellitus Typ 2
  • Hoher Alkoholkonsum
  • Nikotinabusus
  • Geringe körperliche Aktivität
  • Schlafmangel (insb. Schichtarbeit)

Wie ver­hin­de­re ich Brust­krebs?

Prä­ven­ti­on ist das Stich­wort. Es gar nicht erst dazu kom­men las­sen oder sehr früh er­ken­nen. Da­für hat sich der Ge­setz­ge­ber über­legt, dass Frau­en ab dem 30. Le­bens­jahr An­spruch auf die Tast­un­ter­su­chung durch die Frau­en­ärz­tin ha­ben. Ab dem 50. und bis zum 69. Le­bens­jahr kommt dann noch alle zwei Jah­re eine Mam­mo­gra­phie, also ein Rönt­gen­bild der Brüs­te dazu. Ich per­sön­lich tas­te auch schon ab dem 20. Le­bens­jahr die Brüs­te mei­ner Pa­ti­en­tin­nen ab, auch wenn es nicht vor­ge­schrie­ben ist. Das muss aber jede:r Gy­nä­ko­log:in für sich ent­schei­den.

Ich habe auch ein Vi­deo dar­über.

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Brust­krebs be­nö­tigt in den meis­ten Fäl­len meh­re­re Jah­re bis er die Grö­ßer ei­ner Ha­sel­nuss hat. Frau (und oder Mann) soll­te also hin­fas­sen, füh­len, tas­ten! Re­gel­mä­ßig und stan­dar­di­siert.

Ein Ul­tra­schall der Brust­drü­sen, also eine sehr kos­ten­güns­ti­ge, bei­na­he über­all vor­han­de­ne und sehr ge­naue Un­ter­su­chung ist üb­ri­gens kei­ne Rou­ti­neleis­tung. Über die Un­sin­nig­keit lässt sich ei­gent­lich nicht strei­ten. Hier soll­te das deut­sche Ge­sund­heits­sys­tem noch­mal ernst­haft drü­ber nach­den­ken. Des­we­gen emp­feh­len vie­le Frau­en­ärz­tin­nen be­reits ab dem 30. Le­bens­jahr eine jähr­li­che ul­tra­schall­ge­stütz­te Brust­krebs­vor­sor­ge­un­ter­su­chung wahr­zu­neh­men. Die Kos­ten lie­gen hier zwi­schen 30 € und 90 €. Ob die­ser jähr­li­cher Be­trag fi­nan­zi­ell stemm­bar und die ei­ge­nen Ge­sund­heit wert ist, muss da­bei je­der Mensch für sich ent­schei­den.

Wie be­mer­ke ich Brust­krebs?

Schmer­zen, Span­nungs­ge­fühl und klei­ne wei­che Knöt­chen be­rei­ten Mäd­chen und Frau­en häu­fig gro­ße Sor­gen. Oft sind sol­che Be­schwer­den, ge­ra­de wenn sie beid­seits, also sym­me­trisch auf­tre­ten, durch den Zy­klus und hor­mo­nell be­dingt. Hier gilt die De­vi­se: Ruhe be­wah­ren, Stel­le mer­ken und zwei Wo­chen spä­ter noch­mal in Ruhe tas­ten. In den meis­ten Fäl­len ist die be­trof­fe­ne Stel­le jetzt wie­der wei­cher und nicht mehr so schmerz­haft.

Brust­krebs tut sel­ten weh. Er ist sel­ten sym­me­trisch und meist nicht weich, son­dern hart.

Eine un­scharf be­grenz­te, ggf. druckun­emp­find­li­che Ver­här­tun­gen, die we­nig oder gar nicht mit den Fin­gern ver­schieb­lich ist.

  • Hauteinziehungen, Hautödem, bleibende Rötungen
  • Entzündlich veränderte Haut (inflammatorisches Mammakarzinom)
  • Orangenhaut (Peau d'orange)
  • Mamillenretraktion, Entzündung und Sekretion aus den Mamillen
  • Größenveränderung der Brust, Asymmetrie zur Gegenseite
  • Vergrößerung der axillären und/oder supraklavikulären Lymphknoten

Ist je­der Kno­ten = Brust­krebs?

Nein. Das Brust­ge­we­be hat sehr vie­le hor­mo­nel­le Re­zep­to­ren, ist also hor­mo­nell ak­tiv. Ge­ra­de um den Ei­sprung oder kurz vor der Pe­ri­ode kön­nen meist schmerz­haf­te Kno­ten ge­tas­tet wer­den. Sehr oft kom­men sie nur ein­sei­tig vor, manch­mal auch sym­me­trisch an bei­den Brüs­ten. Da­her ist die re­gel­mä­ßi­ge Selbst­un­ter­su­chung der­art wich­tig. Da­mit man ein Ge­fühl für die ei­ge­nen Ver­än­de­rung be­kommt. Nicht sel­ten er­tas­ten Frau­en erst dann in­ten­siv die Brust, wenn Schmer­zen oder Brust­span­nen Be­schwer­den ma­chen und sind dann ent­spre­chend ver­un­si­chert, wenn sie hor­mo­nell ak­ti­ves Drü­sen­ge­we­be als Kno­ten füh­len.

Be­deu­tet Brust­krebs au­to­ma­tisch Che­mo­the­ra­pie?

Nein. Es gibt ver­schie­de­ne Ei­gen­schaf­ten von Krebs. Al­len ist ge­mein­sam: sie wach­sen in­va­siv, was be­deu­tet, dass sie ge­sun­des Ge­we­be ver­drän­gen und durch­bre­chen. Die Art der Ag­gres­si­on bei die­sem Vor­gang ist ein Mar­ker um Brust­krebs zu klas­si­fi­zie­ren (Gra­ding). Au­ßer­dem wird der Brust­krebs mo­le­ku­lar un­ter­sucht ob er hor­mon­ab­hän­gi­ge oder hor­mon­un­ab­hän­gi­ge Ei­gen­schaf­ten hat (His­to­lo­gi­scher Typ und Im­mun­his­to­lo­gie). Ist er hor­mon­ab­hän­gig, gibt es Me­di­ka­men­te, die hier auch ohne Che­mo­the­ra­pie die­se Hor­mon­re­zep­to­ren blo­ckie­ren kön­nen. Auch auf die Grö­ße, die Streu­ung oder Be­fall der Lymph­kno­ten wird ge­ach­tet. Ist der Krebs schon sehr groß oder hat er ge­streut, kann es sinn­voll sein vor ei­ner Ope­ra­ti­on Che­mo­the­ra­pie zu ge­ben (pTNM-Sta­tus). Ziel ist im­mer den Krebs ope­ra­tiv kom­plett aus dem Kör­per zu ent­fer­nen, was heut­zu­ta­ge in den meis­ten Fäl­len brust­er­hal­tend funk­tio­niert.

Wann bin ich ge­ne­tisch be­las­tet?

Rund 30% al­ler Frau­en mit ei­nem Brust­krebs in Deutsch­land wei­sen eine fa­mi­liä­re Be­las­tung für Brust­krebs auf und er­fül­len die Ein­schluss­kri­te­ri­en für eine ge­ne­ti­sche Un­ter­su­chung und eine in­ten­si­vier­te Vor­sor­ge. Vie­le Gy­nä­ko­log:in­nen zie­hen die­se Kri­te­ri­en auch als Ein­schluss­kri­te­ri­en für den durch die Kran­ken­kas­sen ge­zahl­ten Brust­ul­tra­schall her­an.

Dies trifft laut Leit­li­nie zu, wenn in ei­ner Li­nie der Fa­mi­lie

• min­des­tens 3 Frau­en an Brust­krebs er­krankt sind

• min­des­tens 2 Frau­en an Brust­krebs er­krankt sind, da­von 1 vor dem 51. Le­bens­jahr

• min­des­tens 1 Frau an Brust­krebs und 1 Frau an Ei­er­stock­krebs er­krankt sind

• min­des­tens 2 Frau­en an Ei­er­stock­krebs er­krankt sind

• min­des­tens 1 Frau an Brust- und Ei­er­stock­krebs er­krankt ist

• min­des­tens 1 Frau mit 35 Jah­ren oder jün­ger an Brust­krebs er­krankt ist

• min­des­tens 1 Frau mit 50 Jah­ren oder jün­ger an bi­la­te­ra­lem Brust­krebs er­krankt ist

• min­des­tens 1 Mann an Brust­krebs und eine Frau an Brust- oder Ei­er­stock­krebs er­krankt sind

Ist die Mam­mo­gra­phie (Rönt­gen­bil­der der Brüs­te) nicht auch ein Krebs­ri­si­ko (Strah­lung)

Die Strah­len­be­las­tung durch eine Mam­mo­gra­phie liegt deut­lich un­ter der na­tür­li­chen gleich­ar­ti­gen Strah­lung der Um­welt, der je­der aus­ge­setzt ist. Auch bei wie­der­hol­ten Mam­mo­gra­phi­en ist nicht mit ei­nem er­höh­ten strah­len­be­ding­ten Krebs­ri­si­ko zu rech­nen.

Au­ßer­dem: Die Emp­find­lich­keit der Brust­drü­se ge­gen­über Strah­len­be­las­tung nimmt mit stei­gen­dem Al­ter ab und ist für Frau­en zwi­schen 50 und 69, für die das Mam­mo­gra­phie­s­cree­ning vor­ge­se­hen ist, mi­ni­mal.

Kann man wäh­rend der Still­zeit die Brust un­ter­su­chen?

Ja. Idea­ler­wei­se wur­den die Brüs­te kurz vor­her ent­leert. Na­tür­lich ist die stil­len­de Brust pral­ler und emp­find­li­cher, aber den­noch kann das Ab­tas­ten der Milch pro­du­zie­ren­den Brüs­te sinn­voll sein, ge­ra­de wenn lan­ge ge­stillt wird. Wenn eine Frau drei Jah­re stillt er­hält sie sonst drei Jah­re kei­ne Brust­krebs­vor­sor­ge. Auch der Ul­tra­schall ist an­spruchs­vol­ler, kann aber z.B. bei fa­mi­liä­ren Ri­si­ko sinn­voll sein.

Gro­ße Brust = gro­ßes Ri­si­ko?

Wo viel Ge­we­be ist, sind auch mehr Zel­len die po­ten­zi­ell ent­ar­ten kön­nen. Eine dich­te Brust ist so­mit ein un­ab­hän­gi­ger, aber mo­de­ra­ter Ri­si­ko­fak­tor für das Auf­tre­ten von Brust­krebs.

Ist Brust­krebs heil­bar?

JA!! Dar­um ist die Vor­sor­ge wich­tig. Je frü­her er er­kannt wird, des­to hö­her die Wahr­schein­lich­keit, dass er ent­fernt wer­den kann aus dem Sys­tem. Die Pro­gno­se wird umso schlech­ter je mehr schon ge­nann­te Ri­si­ko­fak­to­ren zu­sam­men kom­men. Hor­mon­re­zep­tor und An­ti­kör­per­re­zep­tor ne­ga­ti­ve, ag­gres­si­ve, ge­streu­te und gro­ße Tu­mor ha­ben eine schlech­te­re Pro­gno­se. In den letz­ten Jah­ren hat sich die Pro­gno­se auf­grund der Ein­füh­rung der Früh­erken­nungs­ver­fah­ren und der bes­se­ren mul­ti­moda­len The­ra­pie­op­tio­nen in al­len Sta­di­en stark ver­bes­sert.

Ge­samt­über­le­ben: 5-JÜR: 88% (♀) bzw. 77% (♂) / 10-JÜR: 82% (♀) bzw. 65% (♂)



Dr. med. Konstantin Wagner

Hallo, ich heiße Konstantin und bin Facharzt für Gynäkologie und Geburtsmedizin. Nach meinem Medizinstudium in München habe ich von 2015 bis 2020 in einer maximalversorgenden Klinik in Kassel gearbeitet. Dort hatte ich es mit unzähligen spannenden Fällen zu tun, betreute hunderte Geburten und sammelte einen großen medizinischen Erfahrungsschatz. Seit 2020 widme ich mich der niedergelassenen Tätigkeit in meiner eigenen gynäkologischen Praxis in Kassel.

Im Kon­takt mit mei­nen Pa­ti­en­tin­nen wur­de mir be­wusst, wie schwer es me­di­zi­ni­schen Lai­en oft fällt, ech­te Fach­in­for­ma­tio­nen von My­then und In­ter­net-Pa­nik­ma­che zu un­ter­schei­den. Ich habe es mir da­her zur Auf­ga­be ge­macht, fun­dier­tes Wis­sen zu mei­nen Fach­ge­bie­ten zur Ver­fü­gung zu stel­len – in ver­schie­dens­ten For­ma­ten so­wie auf nach­voll­zieh­ba­re und kurz­wei­li­ge Wei­se.

​Ich lebe mit mei­ner Frau und mei­nen zwei Töch­tern in Nord­hes­sen.